sport auto 4/97 |
Top Fun | |
Major Tom's Verhältnis zum
Tempo hat sich nach einem 300 km/h-Trip im Porsche Carrera Biturbo von RS-Tuning sehr gewandelt |
Tornado-Flugausbilder
Thomas Sollacher, 33 Jahre alt und während 2000 Flugstunden im überschallschnellen Jet mit den zerrenden g-Kräften ebenso vertraut wie der routinierte Autofahrer mit den Grenzbereichen beim Einparken, haut sich wuchtig auf die Schenkel: "Das ist ja unglaublich, wie der geht, Mann, und dann diese Wahnsinns-Bremse!" Der physikalische Vorgang landgestützter Beschleunigungsmanöver hat also offenbar auch für Leute einen sehr nachhaltigen Reiz, die zuweilen auch mal mit neun g, also rund dem neunfachen ihres Körpergewichts in die Sitzschalen ihrer Düsenjets gepreßt werden. Beim Carrera Biturbo der Porsche-Tuning- Dependance RS-Tuning ist es mit der Erdbeschleunigung nicht ganz so weit her - gerade mal ein sattes g, mit dem die Insassen beglückt werden. Aber diese eine physikalische Einheit hat es in sich: Denn wenn der Kopf beim Start schlagartig gegen die Sitzlehne gepreßt wird und das zugleich in der Frequenz schnell ansteigende, von fast beängstigendem, stakkato-haftem Ballern unterbrochene Heulen und Schreien des Motors die Sinne betört, dann wird auch ein abgeklärter Jetpilot bedächtig still. |
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Exakt
25,9 Sekunden nach dem Blitzstart mit durchdrehenden Rädern und einem wild eingreifenden Drehzahlbegrenzer dreht sich der Magen um. Schon im Angesicht eines über die Startbahn gespannten Stahlseils, reißt es den Mann aus Tempo 300 schlagartig in die Dreipunktgurte. Die brachiale Verzögerung der Rennbremsanlage von rund 11 m/s² wäre von der Wirkung des stählernen Fangseils sicher nur unwesentlich übertroffen worden. Diese letzte Instanz am Ende der rund 3000 Meter langen Start und Landebahn hat die Aufgabe, noch auf dem Boden operierende, aber außer Kontrolle geratene Düsenjäger einzufangen. Der Porsche blieb mit einem Ruck kurz davor stehen und Major Tom beugte demütigst sein Haupt.Der ungewohnte Ort meßtechnischer Aktivitäten sollte |
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Das größte
was es gibt: Die 380 mm Rennbremsanlage stammt aus dem Porsche GT2 |
die Anwort auf die höchst brisante Frage liefern: In welcher Zeit sprintet der Carrera Biturbo von RS Tuning auf 300 km/h? Die Beantwortung läßt die Meßgerade in Hockenheim, wo sport auto üblicherweise den Grenzwerten auf der Spur ist, wegen ihrer Kürze von nur 1,8 Kilometer nicht zu - auch nicht bei einem Potential von 533 PS. Die Ergebnisliste des außergewöhnlichen Sprintmeetings zwischen Tornados und Starfighter liest sich eher wie das Datenblatt eines aktuellen Sportmotorrades der Big Bike-Kategorie: In einer Sekunde auf Tempo 40. Nach 3,7 Sekunden sind 100 kmlh erreicht. 6,6 Sekunden später, nach exakt 10,3 Sekunden, ist der rote Porsche bei Tempo 200. Der gewaltige Druck hält scheinbar unvermindert an: Die Geschwindigkeitsspanne von 200 bis 300 km/h erledigt der RS Tuning-Carrera in schmalen 15,6 Sekunden. Das irrwitzige Sprintvermögen zeigt sich schließlich in einer Zeit von nur 25,9 Sekunden - wohlgemerkt: für den Spurt auf Tempo 300! | |
Diese
fantastische Horizont-Annäherung hat einen Erlebniswert, der auf dem Temperamentsniveau eines Porsche GT1-Renners liegt und das in einem geradezu luxuriösen Ambiente: Lederausstattung, Klima- und Stereoanlage an Bord treiben das Gewicht nicht unerheblich in die Höhe. So bringt der Carrera Biturbo von RS Tuning knapp 1,5 Tonnen auf die Waage - etwa das Gewicht des aktuellen Serien-Porsche. Mit dessen technischer Basis hat die schmale Biturbo-Version aber nur noch den ausgeprägten Leistungswillen gemein: Denn die schmale Karosserie im 993-Look verbirgt Struktur, Substanz und Technik des alten Carrera 4. Rein hold Schmirler, technischer Kopf von RS Tuning: "Wir wollten einfach nur mal zeigen, was wir drauf haben. Den neuen Turbo kann jeder flottmachen." |
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Die Glut
der 533-PS-Gewalt: Temperaturen bis zu 1200 Grad bei den Prüfstandsläufen |
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Aber selbst der intelligente Allradantrieb mit Viscokupplung, der die Kraft jeweils auf die Achse verteilt, die den besten Grip findet, kommt in Einwirkung des brachialen Drehmoments von 754 Newtonmeter an die Grenze seines intelligenten Verteilungs-Konzepts: So drehen vorzugsweise die Vorderräder durch. Der Beschleunigungsvorgang in den ersten drei Gängen ähnelt somit unter voller Last dem Sprint eines eklatant übermotorisierten Fronttrieblers: Die Antriebsmomente reißen gewaltig in der Lenkung und gestalten die Flucht nach vorn so ähnlich aufgeregt wie die einer mit Ecstasy vollgepumpten Natter. |
Ein
piffiges Aerodynamik-Konzept hilft dem Porsche dabei, sich auch bei hohem Tempo noch eleganter durch den Fahrwind zu schneiden. Die schräger gestellte Frontscheibe, die auch eine großzügigere Atmosphäre im Innenraum schafft, bietet erheblich weniger Angriffsfläche und sieht überdies sehr elegant aus. Der stromlinienenförmigen Glättung fielen auch die Regenrinnen an der Dachhaut zum Opfer. Dem bei 5590 Kurbelwellenumdrehungen schon auf dem Zenit seiner Leistungsfähigkeit drehende Sechszylinder erlaubt Schmirler Drehzahlen bis 7500 Touren. Damit sind im |
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Die gegenüber
dem Original schräger gestellte Frontscheibe wirkt sich aerodynamisch vorteilhaft aus |
Zusammenspiel
mit dem umgebauten Fünfganggetriebe die Voraussetzungen geschaffen, die abenteuerlichen Geschwindigkeitsregionen weit jenseits der 300 km/h-Marke zu erforschen. Der technische Aufwand, um die vergleichsweise eher durchzugsschwachen Sechszylinder-Saugmotoren der Carrera-Typen 964 oder 993 derart einzuheizen, sprengt freilich alle Dimensionen: 97750 Mark berechnet RS Tuning unter der Voraussetzung, daß ein intakter Basismotor mit wenig Laufleistung angeliefert wird. Darin enthalten sind lediglich die Frontölkühleranlage sowie der gewaltige Ladeluftkühler. Der hohe Preis ist laut Schmirler die logische Folge höchsten Qualitätsdenkens: "Wir verwenden, soweit es geht, möglichst Porsche-Originalteile, vorzugsweise solche aus dem Rennsport-Teilelager." |
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Bis auf den riesigen
Ladeluftkühler arbeitet die Turbo-Technik im verborgenen. Der große Flügel ist ein Muß. |
Mit der Summe für das Motortuning ist es natürlich nicht getan: Die vorzügliche GT1 Rennbremsanlage, zwingende Voraussetzung derartiger Leistungseskalationen, schlägt mit 18 100 Mark zu Buche. Der Getriebeumbau (5800 Mark) sollte in Erwägung gezogen werden, wenn das Überfahren der 300 km/h Schwelle im Lastenheft steht. In diesem Fall aber bieten sich schon erheblich kostengünstigere Alternativen an: Der erste Turbo-Leistungskit für den Carrera mit einer Ausbeute von 448 PS kostet vergleichsweise bescheidene 12790 Mark. Für ein zusätzliches Plus von 35 PS (483 PS) wird schon eine Summe von 43620 Mark veranschlagt. Die Preise für derartige Leistungszuwächse bringen Leute wie Tornado-Pilot Thomas Sollacher tatsächlich ins Schwärmen: "Hätte nicht gedacht, daß so wirkungsvolle Nachrüstungsbeschlüsse noch so preiswert zu haben sind." Horst von Saurma |